22.01.2013 // Tag -8

21:53 – Das gelbe Gift wird vorbereitet… bis 2:00 Nachts wird’s dann wohl gehen.

19:56 – Ich bekomme gerne Besuch zum Essen, wie es scheint. Dieses mal der Psycho-Onkologe, mit dem ich ein längeres Gespräch hatte. Weite Themenbereiche angerissen, mehr nicht. Angenehmer Gesprächspartner. Telefon geht übrigens wieder.

16:55 – Ständiges Pendeln zwischen Toilette und Bett. Am Tisch sitzen ist so gut wie unmöglich, da die Klimaanlage extrem nervt. Die Telefonanlage ist auch mal wieder ausgefallen…

15:21 – Gewicht inzwischen über 60 kg! Das geht ja nun gar nicht… wahrscheinlich Wassereinlagerungen, habe etwas dagegen bekommen (und muss wahrscheinlich gleich _ganz schnell zur Toilette).

12:00 – Umringt von Krankenschwester, Jungarzt und um mich herumwienernde Putzkraft liege ich mit meinem iPad diese Zeilen schreibend im Bett und würde eigentlich gerne ganz andere Sachen auf dem iPad machen. Herrjeh.

11:45 – Chemostart für den Tag, ich werde wieder angeleint. Weder bin ich zum Bettwäschewechsel gekommen (was hier der Patient ‚zur Mobilisierung‘ selber macht, solange es ihm möglich ist), noch zum Duschen. Zumindest Kaffee ist in ausreichender Menge vorhanden.

11:30 – Ich würde gerne mal in Ruhe auf Toilette sein, ohne dass jemand gerade in diesem Moment in mein Zimmer kommt und nach mir ruft. Es nervt. Es nervt ganz gewaltig.

11:12 – Der Physiotherapeut rauscht gleich nach dem Frühstück herein. Wieder nix mit Duschen. Zugleich kommt auch noch eine Krankenschwester vorbei, die mir verkündet, dass ‚gleich‘ das Bestrahlungsvorgespräch bevorstehen soll, ich müsse mich soweit fertigmachen. Physiotherapeut deutet das ‚Gleich‘ im richtigen Krankenhauskontext und erklärt, es sei noch Zeit für etwas Reiki. Wovon ich nicht viel spüre, aber egal. Dann kommt einer der UKE-Scouts mit Rollsesselchen (was ich, so lange es mir möglich ist, ablehne) und führt mich in die Radiologie. Die sich, wie passend, im Untergeschoss befindet. Anmelden, elend lange Fragebögen ausfüllen, warten. Runden drehen auf dem Gang, Hospitalismus. Eine Frau Dr. Tonal (!) stellt sich vor und führt das Gespräch sowie Aufklärung durch. Lange scheint sie das noch nicht zu machen, etwas unsicher wirkt die junge Dame. Zum Abschluss schaut der Oberarzt noch vorbei, ein Onkeltyp mit Bluthochdruck und Biedermeiergesicht.
Ängstliche Naturen und Hypochonder sollten sich ein Aufklärungsgespräch über die möglixhen Komplikationen einer Ganzkörperbestrahlung mit 12 Gray übrigens ersparen.

08:17 – Von der nächtlichen Routineprüfung habe ich heute rein gar nichts mitbekommen. Um acht Uhr dann das übliche Prozedere durch die dickliche Krankenschwester mit dem enormen Doppelkinn. Sie wünscht stets, dass ich das Bett zur Blutabnahme ganz nach oben fahre (und das ist bei diesem Modell sehr hoch). Vielleicht ist der Blick nach unten aufgrund ihre Doppelkinns nicht mehr möglich. Mein Gewicht liegt immer noch bei 58,x das irritiert mich.
Frühstück folgt sogleich, die Dame stellt auch eine Kanne Kaffee in Aussicht, was der Kollege gestern für nicht möglich erklärte.
Es schneit in einer Tour.

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21.01.2013 // Tag -9

19:00 – Zum Abschluss der Giftinfusionen noch Ambisome. Das Antihistaminikum, was die allergischen Reaktionen unterdrücken soll, macht mich ziemlich müde und vom Ambisome wird mir leicht übel. Mit dieser Kombination dämmere ich so vor mich hin, der Übergang zum Nachtschlaf ist fliessend. Alles, was ich mir so für den Abend vorgenommen habe, fällt ersatzlos aus.

17:30 – Doch noch ein erstes „Ereignis“. Ich bin von Morgens 56,6 Gewicht auf jetzt 58,6 gesprungen. Da stimmt was nicht. Ich habe so ein wenig die Krankenschwester aus der Frühschicht in Verdacht, dass sie mir Glucose und NaCl reinjaucht, als gäbs kein morgen. Ich werde erstmal nichts zu Abend essen.

13:40 – Der Tag ist weiterhin recht ereignislos. Bei der Visite stellt sich eine neue Oberärztin vor, fragt auch persönliches ab.

09:45 – Das Frühstück kommt erst spät, alles weitere verzögert sich dadurch. Krankenschwester und Physiotherapeut stürmen das Zimmer, sehen mich mit Brötchen in der Hand und treten unverrichteter Dinge wieder ab. Mit dem Duschen wird das heut‘ wohl nix. Ein Blick auf SPON sagt mir, dass es wohl doch kein Patt in Niedersachsen gegeben hat. Über das FDP-Ergebnis komme ich immer noch nicht hinweg, Piraten-Absturz war nach einem Jahr Negativ-Bericherstattung und selbstgemachtem Parteitagsdebakel zu erwarten.

08:00 – Das morgendliche Prozedere wird von einer mir unbekannten, rundlichen Krankenschwester mit fieser (‚praktischer‘) Kurzhaarfrisur und dazu passender Brille erledigt. Der gestern noch ‚gute‘ Sättigungswert von 96% wird heute zum ’schlechten‘ Wert (‚ah, sie sind Raucher, daher‘). So schnell geht das. Der Frühstücksservice möchte wissen, was ich zu frühstücken gedenke. Die von ihrem Kollegen gestern angegebene Möglichkeit, sich eine Kanne Kaffe ins Zimmer bringen zu lassen, wird verneint, also bestelle ich erstmal _zwei Tassen Kaffe. Herrjeh, immer dieser Krampf mit dem Kaffe.

04:50 – Die Vitalüberprüfung in der Nacht ist nicht so enervierend, wie ich gedacht hatte. Das lässt sich im Halbschlaf gut überstehen, ich bekomme so gut wie nichts davon mit und schlafe nach der Verkabelung sofort wieder ein.

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20.01.2013 // Tag -10

20:50 – Ach, Wahl war ja auch noch. Patt also. Und FDP neun Prozent? :crazy: … wer bitte hat da FDP gewählt?

17:37 – Bin heute mal schreibfaul, sorry. Drömel so vor mich hin, Chemo läuft seit Stunden, parallel auch ‚das böse‘ Ambosine, mit nur mäßigen Nebenwirkungen. Werte stabil, CRP-Wert auf 25 runter (!), Temperatur normal. Sogar die Leukos auf 2.300, aber davon wohl 90% unfähige Zellen, die es einfach ins periphäre Blutsystem ausgeschwemmt hat. Differentielles Blutbild wird wohl erst wieder morgen erstellt.

12:00 – Mittag. Ich halte mich an die erprobten Spaghetti Bolognese, und schreibe etwas an diesem Blogeintrag.

11:00 – Die Oberärtzin schaut vorbei, lächelt, fragt Befinden ab, erfreut sich meiner Mobilität, prüft den Injektionsbaum und ist mit besten Grüßen wieder verschwunden. Ohne Mundcheck, ohne Klopfcheck, das Stethoskop bleibt unbenutzt. Eine typische Sonntagsvisite, ma‘ sagn! (dem Dialekt zufolge kommt die Oberärztin aus südlicheren Gefilden Deutschlands)

08:30 – Wecken, Frühstück bestellen, Vitalfunktionen checken (alles im grünen Bereich), Blutabnahme, etc. ppp. Schwester A. hat offensichtlich diesen Blog eingesehen, trägt nun eine passendere und zudem mittelblaue Hose. Ärgerlich. Zudem wurde ihr natürlich schon bei der Übergabe gesteckt, das ich die Nacht durchtelefoniert habe. Mein Ruf als Nachteule ist hier als auch innert kürzerster Zeit betoniert. Schwester A. nimmt es eher belustigt auf und fragt lediglich, ob ich das tagsüber wieder aufholen kann, was ich bejahe.
Schwester A. ist auch in passender Hose sympathisch.

Frühstücken und Telefonieren, danach ausgiebig Duschen, Eincremen und hoffen, dass mich das Ganze munter macht. Was nicht der Fall ist, ich döse irgendwie bis Mittags durch. Was auch nicht weiter schlimm ist.

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19.01.2013 // Tag -11

23::00 – [telefoniere]

21:05 – Werte stabil (niedrig). Es ging mir schon mal besser, aber es durchaus machbar bisher. Nur etwas schwummerig.

19:50 – Noch lebe ich :) Sättigung ist mit 97% im normalen Bereich, nur Puls (70) und BD (98:52) sind für mich sehr niedrig. Mir ist auch etwas schwindelig. So richtig prima geht’s mir definitiv nicht.

19:05 – Die gelbe Suppe kriecht langsam den Schlauch hinauf… wenn ich die nächste Stunde nix schreibe gabs wohl Probleme.

18:53 – So, das gelbe Gift ist wieder am Start. Es tröpfelt gerade _sehr langsam aus dem Beutel. Ich bin mit Puls, Sättigung und Blutdruck an der Überwachungsmaschine gekoppelt, diese gibt die Daten (offenbar zuverlässig, hab‘ spasseshalber mal eine Messsonde kurz abgenommen) an das Schwesternzimmer weiter. Noch hat das Teufelszeug nicht die sieben Meter Leitung überbrückt, man würde das signalgelbe Zeug in den transparenten Schläuchen sehen…

18:30 – Mal was eher Technisches: ich will mir in Zukunft angewöhnen, die wichtigsten Punkte des Tages fett markiert darzustellen. Eine kurze Sichtung der letzten Eintrage ergab, dass diese nicht (wie gedacht) kürzer ausfallen als die ersten. Wer sich also nicht den ganzen Sermon von mir durchlesen will sondern nur an den nackten basics interessiert ist, braucht in Zukunft nur noch den Text auf eben diese fett markierten Stellen zu scannen .

18:17 – Cytarabin ist jetzt ebenfalls am Start. Das Zeug kenne ich ja schon aus Bremen. Wenn ich mich recht entsinne, dann war das Daunorubicin wesentlich stärker für Übelkeit verantwortlich als Cytarabin. Hoffentlich habe ich mich da nicht getäuscht…

18:13 – Örks, das Teufelszeug kommt gleich schon an den Start. Antihistaminikum wurde bereits injiziert, Maschinchen zur Kontrolle der Vitalwerte ist angeschaltet. Angst.

17:52 – Mein Fussi-Ticker meldet mir die Aufstellung Werder gegen Dortmund für heute Abend. Verrückt: das Hinspiel fand im August letzten Jahres statt, ich weilte mit Claudia im Urlaub in Südfrankreich und hatte schlechte Laune, weil wir gut gespielt und dennoch verloren haben.
Das ist alles so weit weg als ob es nicht mehr zu meinem Leben gehören würde.

17:30 – Amsacrin ist durch für heute. Bisher keine besonderen Vorkommnisse.

17:25 – Essen wird gereicht. Merkwürdigerweise wird hier das Brot nicht getoastet, mir wird ohne Probleme Teewurst dargereicht, dafür gibt es weder Gurken, noch Tomaten. Wochenende stets ohne Gemüse? Alles sehr merkwürdig.

16:45 – Ganz vergessen, seit ca. einer Stunde läuft Amsacrin durch die Leitung. Noch ein neues Gift. Keine Ahnung, was mein Körper dazu sagen wird.

16:44 – Soundtrack: Bugge Wesseltoft – Change
16:20 – Schwester K. stellt sich vor und unternimmt die üblichen Messungen. Alles im Rahmen. Fieber unter Kontrolle, CRP-Wert soll gesunken sein (lt. Aussage Dr. A.).

15:20 – Dr. A. betritt zum ersten mal die Bühne. Er erläutert nochmals die Notwendigkeit des Ambisome. Ein Probe der Bronchoskopie wurde hier untersucht (kein Befund) und eine wurde zu einem Speziallabor in Kiel geschickt. Die haben dann den speziellen Pilz ausfindig machen können, der (höchstwahrscheinlich) die Grundlage, auch schon in Bremen, für die Bakterien gelegt hat, die dann zum Ausbruch der Lungenentzündung mit Fieber und erhöhten CRP-Werten führte. Die beiden letzten Sachen hat man in Bremen und auch hier jetzt mit Antibiotika in den Griff bekommen, aber die pilzige Infiltration als ‚Bodensatz‘ sozusagen ist immer noch da – die wollen sie wegbekommen. Es gäbe zwar eine Alternative, nur sei die weniger effektiv und es ist unklar, ob sie unter chemoinduzierten Schleimhäuten überhaupt wirksam ist, da diese Alternative oral appliziert wird. Also irgendwie mit diesem besxxissenen Ambisome versuchen. Kortison, so wie die Ärztin vorher gesagt hat, wäre allerdings nicht sinnvoll da dieses länger als nötig verabreicht werden müsste. Es werden Antihistamine verabreicht um die allergische Reaktion zu minimieren. Ab dem 30.01. ist es dann eh‘ egal, da ich dann ein neues Immunsystem habe und mein altes gelöscht sein wird. Bis dahin ist mir aber recht flau im Magen…

14:53 – Holy shit. Eine Ärztin war soeben da, das Teufelszeug von gestern Abend ist alternativlos! Es ist das einzig wirklich wirksame Mittel gegen eine Pilzart, die sich (durch die Bronchskopie bestätigt) wohl in meiner Lunge befindet. Sie wollen es mit einer Dosis Kortison vorab und stark verdünnter Infusion über längeren Zeitraum unter Beobachtung stehend nochmal versuchen. Ojeh. Ich fühle mich wirklich gerade wie in dem weiter unten schon zitierten Sketch von Monty Python: NOBODY expects the Spanish Inquisition…

14:30 – Habe soeben neues Zimmer bezogen (Nummer natürlich wieder vergessen) und wurde auch sofort an die (in diesem Falle lange) Leine gelegt. Das Zimmer ist fast mit der 632 identisch, nur gespiegelt, und mit etwas anderer Technik versehen. Der Balkon ist verriegelt. No way out. Sehr wenig Stauraum steht hier zur Verfügung, der Schrankbereich ist anders als drüben aufgeteilt. Mal schauen, wo ich die Ordner unterbringe. Momentan lauft nur Glucose und NaCl durch die Sieben-Meter-Zuleitung, aber die nächste Chemo soll gleich erfolgen. Essen (ich habe mal wieder Hühnerfrikassee genommen) habe ich auch schon hinter mich gebracht. Schwester A. weist mich in das Zimmer und weitere Gepflogenheiten ein. Schwester A. ist blond, nett, hat eine schmale Figur und trägt viel zu weite Hosen, die beim Bücken etwas, herrunterrutschen. Schwester A. trägt nette, pink-rosa Unterwäsche. Mehr Löcher als Stoff.

14:00 – Idlen im Besucherraum.

13:00 – Fragestunde mit Schwester A.. Auf dem Gang herumlaufen, wird auf 6B wohl erst mal so nicht möglich sein. Hm. Das könnte zu Kaffeemangel führen. Anders als ihre Kollegin vor ein paar Tagen sieht sie keine Probleme darin, weiterhin (soweit körperlich machbar) Handwäsche durchzuführen. Prima! Damit ist, neben der physischen und psychischen, auch die ästhetische Vernichtung bis auf weiteres verschoben. Die verschiedenen Aussagen zu verschiedenen Themen von verschiedenen Aussagenden sollte ich intensiver nutzen. Divide et impera.

12:45 – Ich frage mich langsam, ob mein neues Zimmer gereinigt oder renoviert wird. Ein Fingertest wird Aufschluss geben, ob die Wandfarbe schon getrocknet ist.

12:30 – Neue Erkenntnisse: die hier verwandten Geräte von Braun sind besser angenehmer zeitgemäßer als die mir aus dem Diako bekannten Fresenius-Gerätschaften. Die funtionierten wohl auch so leidlich, sahen aber aus, als hätten sie noch den Korea-Krieg miterlebt, sprich, unkaputtbar aber dafür Komfortstufe Null. Anders die Braun-Geräte, angenehmere Warngeräusche, Vorwarnungen werden auf dem Display angekündigt, per LED in Orange visualisiert. Schick, schick. Zu Batterien zusammengefasst, wie auf meinem vorherigen Zimmer, hat die Summe der LCDs zudem den Vorteil, dass man sich teilweise die Leseleuchte sparen kann.

12:00 – Da es etwas dauert, bis das neu zu beziehende Zimmer grundgereinigt und desinfiziert ist, entschliessen sich eine mir bislang unbekannte Schwester A. (6B) und das Pummelchen (6A), mir schon hier im Besucherzimmer die erste Fuhre Fludarabin zu verpassen. Das Drama kann also beginnen, die Show ist eröffnet, der Kriegzustand ist ausgerufen, der Countdown läuft, die Spiele mögen starten. Wie nicht selten in großen Auseinandersetzungen beginnt das ganze also eher als kleines Scharmützel, an einem belanglosem Nebenschauplatz wie z.B. diesem Wartezimmer. Dramaturgisch geschickt, man gibt sich hier Mühe, alle Achtung. Etwas belustigend dann der Spruch von Schwester A., dass ich mich melden soll, sobald ich mich etwas unwohl fühlen sollte. Dies würde aber selten oder nie der Fall sein… . Den Spruch habe ich gestern kurz vor dem anaphylaktischen Schock auch gehört.
Nun sitze ich hier am Tisch, einen kleinen Minikleiderständer mit Fludarabin und NaCl neben mir und warte auf ‚Reaktionen‘.

11:53 – Stranger Moment eben gerade. Die Schleuse zur 6B öffnet sich, in Mikroschritten bewegt sich eine glatzköpfige Dame unschätzbaren Alters rollatorgestützt heraus, hält vor der Glasfront des Besucherraumes und schaut mich unvermittelt und ein klein wenig zu lange an. Undeutbarer Blick.Dann tippelt sie, gestützt von Rollator und zwei Humanoiden weiter. Es ist die Dame die mein Zimmer übernehmen wird, bzw. ich ihres.

11:29 – Ich muss 47 Jahre alt werden, eine primär refraktäre, akute myeolische Leukämie ausbilden, um endlich mal wieder Tipp-Kick zu spielen. Einen ‚Ball‘ (eher ein Tetradekaeder [Vierzehn Flächenfelder, musste selbst googeln]) habe ich schon irgendwo hinter der Küchenzeile versenkt. Leider ist kein Grün-Weisser Spieler vorhanden. Ich habe mich für ’schwatz-gelb‘ entschieden, gegen Rot-Weiss. Nach ein Weile entsann ich mich ser alten Fanfreundschaft zwischen Werder und RW Essen, also wieder doch das Rot-Weisse Männeken genommen.

10:45 – Nun sitze ich im Warte-/Aufenthalts-/Besucherraum vor der Station 6B und harre der Dinge. Ich bin offenbar schneller im Packen als meine Mitpatientin aus der Iso, mit der ich das Zimmer tauschen soll. Diese Aufenthaltsräume in Krankenhäusern sehen für mich alle etwas merkwürdig aus. Schränke mit Kinderspielzeug, eine wild zusammenwürfelte, wahrscheinlich aus liegenge- oder überlassenen Exemplaren bestehende Minibliothek, nutzlose Deko in nutzlosen Regalen, die ‚typischen‘ Krankenhausbilder an der Wand (zumeist in Tradition der Impressionisten bis hin zum ‚Neo-Realismus‘ amerikanischer Prägung) Bestuhlung und Betischung, die einen stets an Die Studienzeit oder Fortbildungsseminare erinnern, ein paar obligate Zertifikate, der Tisch mit Informationsmaterial. Dazwischen medizinisches Geräte und Trainingsmaschinen. Ein Ehrfurcht gebietendes, martialisch ausschauendes Monstrum von Massagestuhl, (Einspieler denken: ‚She is made of harder stuff! Cardinal Fang! Fetch…THE COMFY CHAIR!‘) und über, durch und unter, in allem verweilt dieser penetrante Krankenhausgeruch.
In der Minibibliothek findet mein scannender Blick schnell ein Büchlein im Reclam-Format – das könnte etwas für mich sein! Und siehe da: Hans Poser, (was für ein Name) ‚Wissenschaftstheorie, eine philosophische Einführung‘. Volltreffer. Gierig nehme ich das Büchlein an mich als gehörte es schon mir (tausche es gerne gegen den einen oder anderen Regalmeter aus meiner Bibliothek), um dann frustriert festzustellen, dass die Schriftgröße doch arg meine Augen strapazieren dürfte. Aber vielleicht frage ich nach einer Lupe. Ich habe das kleine, gelbe Büchlein erstmal ‚aquiriert‘, wie es mein Großvater ausdrücken würde.

08:44 – Nachts um 3:00 nassgeschwitzt aufgewacht, Klamotten gewechselt, weitergenickt, ansonsten eine ereignislose Nacht. Zum Aufwachen dann die nächste Überraschung, die etwas dickliche Krankenschwester mit dem Kindersprech eröffnet mir, dass es heute schon in die 6B geht. Das heisst, Frühstücken (schon halb erledigt), Antibiose durchlaufen lassen (gestartet, dauert aber noch), Duschen, Packen, anschliessend Warten im Aufenthaltsraum.
Zum Frühstück gibt es nun 5 Tabletten, zu den mir bereits bekannten ist ein Antiememtika gekommen, Chemo startet ja heute. Ebenfalls wieder dabei: Augentropfen und Augensalbe.
Als Servicekraft fungiert heute in diesem Bereich die schlanke grosse Dame mit dem Kopftuch, dass lässt auf ausreichende Kaffeversorgung hoffen, bislang war das jedenfalls so. Gestern früh habe ich ja in der Hektik vergessen, meinen Thrombostrumpf anzuziehen – gestern nacht habe ich dafür dann, wie zum Ausgleich, vergessen ihn auszuziehen.

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18.01.2013

00:57 – So, den ersten anaphylaktischen Schock meines Lebens habe ich nun auch hinter mich gebracht. Ambisome (Amphotericin B)
heisst der Bösewicht, ein Antimykotikum gegen den vermuteten Pilzbefall der Lunge. Die Schwester war kaum aus dem Zimmer, da ging es los: von ‚irgendwas stimmt hier nicht‘ bis zur akuten Atemnot in wenigen Sekunden, maximal 10. Glücklicherweise waren Schwestern und Ärzte sehr schnell vor Ort und habe mich mit diversen Injektionen traktiert. Eines der verabreichten Gegenmittel muss sehr, sehr müde machen, es fällt mir schwer, die Augen aufzuhalten.

22:43 – Fieber scheint sich erstmal etwas gelegt zu haben. Müsste so um 36,9 sein (36,4 plus 0,5 ‚Aufschlag,) meine Handmessungen sind natürlich immer etwas ungenauer als diese Ohrmessgeräte. Vielleicht kommt ja nochmal jemand mit einem solchen vorbei. (Für einen kurzen Augenblick kam mir der Gedanke, ein solches Teil spater mal zu erwerben).

22:15 – Fehler gefunden. Ich Volltrottel. Ist erstmal nix mit Online-Banking.

21:31 – Herumärgern mit der Einrichtung von Online Banking. ’schab Hals.

16:40 – Kaffee wieder alle :( Hmpf. Irgendwie klappt das heute nicht. Koffeinpegel niedrig, Temperatur niedrig (37,0), Kreislauf unten (90/57). Weiss der Henker… Dafür bekomme ich jetzt wieder ein anderes Antibiotika, wird momentan schneller als die Bettwäsche ausgetauscht.

15:30 – Kaffee wieder verfügbar. Die Lage entspannt sich.
Was ich mich ständig frage, seit ich hier im UKE bin: wozu in aller Welt brauchen die so viele Infusions/Transfusionseinheiten? Zwei oder drei dieser Spritzen-Auf-Zeit-Reindrückgeräte und weiter NatriumChlorid-Pumpen… ok. Hier in der Klinik setzt man auf Geräte der Firma Braun und verwendet sogenannte SpaceStation, so wie die auf dem Bild links zu sehen. Allerdings gleich zwölf Module, nicht nur acht. Fallen die Dinger so schnell aus? Werden die gleich für mehrere Tage aufgerüstet? Fragen über Fragen…

14:30 – Seit zwei Stunden kein Kaffee verfügbar. Das kenne ich so nicht. Unschön. Die Heizung schwächelt ebensfalls, mir ist etwas fröstelig.

12:30 – Mir fällt erst jetzt auf, dass ich den ganzen Tag ohne Thrombosestrumpf herumlaufe. Ojeh. Den habe ich heute Morgen in der Hektik ganz vergessen.

13:00 – Mittagessen. Ich habe mich von der zuständigen Sevicekraft zu einer Frikadelle nebst Gemüseklein und brauner Sauce überreden lassen. Zum Essen gab es befremdlichen Lesestoff: eine Diplomarbeit, die sich mit dem Umgang zytostatisch behandelter Leichname (i.d.R. Krebspatienten) befasst. Die angewandte Ethik war noch nie so mein Steckenpferd, in der Arbeit tauchen allerdings einige interessante Details auf. So z.B, dass es zu deutlichen Verfärbungsprozessen des Leichnams beim Verbrennen kommt und ein erheblicher energetischer Mehraufwand betrieben werden muss. Watt et al gifft…

10:30 – Physiotherapie mit der drahtigen Rothaarigen. Übungen mit dem Thera-Band (schreibt man das so?). Ich bin und bleibe ein Körpergefühlslegastheniker.

09:30 – Frühstück. Parallel dazu wird mir Blut abgenommen – seltsame Kombination. Schwester Big Foot hängt mich danach ans Vancomycin. Ich erinnere sie nochmal an das Attest, sie will sich darum kümmern. Die Dame ‚für das Organisatorische‘ sei leider krank.

08:30 – Herz-Check in drei Stufen. Erste Stufe: Wecken um 7:45, mit der direkten Aufforderung, mich in einen Rollstuhl zu setzen, es gehe zum Ultraschall. Das mit dem Rollstuhl konnte ich abwenden, habe mich schnell in Klamotten geworfen und bin mit dem KH-Scout zum Herzzentrum gelaufen, was sich in O70 befindet – mal ein neuer Weg, diesmal in östliche Richtung verlaufend. Die zweite Stufe dann der eigentliche Ultraschall. Dass das Gleitmittel für den US-Kopf nicht entsprechend vorgewärmt wird ist mir etwas schleierhaft. Wir sind zwar nicht beim Frauenarzt, nett wäre es dennoch, wenn man sich um solche simpel zu erledigenden Kleinigkeiten kümmern könnte. Ansonsten bin ich gerne beim Ultraschall. Es ist dort zumeist abgedunkelt, recht warm, und ich finde es beruhigend, das Glucksen des eigenen Herzens zu hören. An einer Stelle verblieb die ausführende MTA oder Ärztin mit breitem Hamburger Akzent sehr, sehr lange. Nicht das die vergangenen Zytostatika da schon etwas angerichtet haben… Herz-Check Stufe Drei: zurücklaufen und zu Fuss die sechs Stockwerke hochlaufen. Frühsport, noch ohne einen Schluck Kaffee intus. Kurz im zweiten Stockwerk gehalten und durch die Türen gepliert; dort (Palliativstation) wird also gestorben, bzw. auf das Sterben vorbereitet.
Relativ relaxed im sechsten Stock angekommen. Der übliche Morgenstress auf dem Flur, Arbeitsbienen versorgen kranke, andere Arbeitsbienen in ihren Waben. In der Anmeldung fläzt sich der Eso-Physiotherapeut auf einem Bürostuhl herum und schäkert mit jüngeren Krankenschwestern. Ich versorge mich mit Lebenselexier und schleiche mich aufs Zimmer. Kaffee kann man sich ja glücklicherweise selbst organisieren, ein Segen. Warten auf das andere morgentliche Standardprogramm. Schwester Big Foot hat die Becher mit den Utensilien wie Spritzen und Kanülen schon auf dem Tisch platziert.

06:00 – Bruder Mike klemmt mich an die Antibiose und misst in meinem Ohr herum. Ich lasse beides im Halbschlaf über mich ergehen und dusel gleich wieder ein.

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